Die Leere lesen
In Eurer sogenannten Blogosphäre finden sich nicht nur Blogger, die uns gar nichts zu sagen haben, also solche, die zum Beispiel von ihrem letzten Besuch bei der Schwester erzählen, die eine „ganz schön komplizierte Brustwarzenvereiterung“ hat oder natürlich auch solche, die uns in langen Sätzen sagen wollen, dass „heute ein richtig schwerer Sack Reis in China umgefallen“ ist.
Nun kommt es erst, liebe Leser, die Ihr Euch bei No1 so wohl fühlt wie sonst nirgendwo. Wir entdecken in der letzten Zeit auch eine immer grösser werdende Reihe von selbsternannten Literaten und Literatinnen. Bei ihnen kennt die Hochnäsigkeit gar kein Pardon mehr, und man kann nur den Kopf schütteln über die in jeder Hinsicht grosse Form der fast perfekten Form von innigster selbstinszenierter Selbstbeweihräucherung.
Die müssen aber noch üben. Auch fehlt ihnen jede Demut, schade.
In diesem „literarischen Bereich der Bloggerwelt“ tummeln sich inzwischen ein paar Dutzend objektiv peinlich eitel auftretender Kurzgeschichtenerzähler und Kurzgeschichtenerzählerinnen, die als Programm ihr vollkommen uninterssantes, natürlich immer schön selbsterlebtes Problemchen-Fricassée in uninteressanter Weise loswerden wollen. Warum?
Niemand weiss es.
Es soll sich um Texte handeln, die „man so angeblich im Buchhandel nicht finden können soll“. Zum Glück nicht. Zum Glück müssen nicht auch noch für diese unwichtigen Texte geliebte Bäume gefällt werden, denn sie schreiben ja zunächst nur im Internet. Es wird sogar seit geraumer Zeit behauptet, dort entstehe gar „eine neue literarische Gattung“. Auch hier dürfen wir mit dem Kopf schütteln.
Doch dem nicht genug. Eine Reihe dieser selbsternannten kleinen Hemingways veranstalten hin und wieder auch noch sogenannte Bloglesungen. Man glaubt es ja kaum. Doch dem ist so. Die selbsternannten Literaten lassen sich auf Friedhöfe, in Cafés, in Studio-Theater, in rauchfreie Künstlerateliers, in verrauchte Kneipen und wer weiss nicht wo noch einladen, um ihre „hervorragenden, kunstvollen, souverän vorgetragenen Texte“ vorzulesen.
Beginn 20:00 Uhr. Einlass 19:45.
Was macht man nur mit diesen zusätzlich verlorenen 15 Minuten?
Freut man sich auf eine „Herbstschmerz-Lesung“? Kann es das sein? Können wir dort etwas für unseren Weg lernen oder wollen wir nur schauen wie denn nun dieser Blogger oder jene Bloggerin aussieht, deren Texten man schon lange zeitverschwendend hinterhergeiferte?
Soll ich Euch etwas sagen – diese Blogleser und Blogleserinnen sehen weder aus wie Hemingway noch wie dessen Tochter, das kommt noch obendrauf. Da lispeln dann unattraktive Schreiberlinge beiderlei Geschlechts hinter mehr oder weniger gut klingenden Mikrofonen auf Euch ein, denen Ihr im Normalfall kein Los abkaufen würden.
Und Ihr fragt Euch, warum diese Menschen das tun.
Und Ihr müßt Euch fragen, warum bin ich denn nun freiwillig auf einer Bloglesung gelandet?
Weil „Auch gelacht wird hin und wieder.“
Weil „Sag mal, bist Du nicht die?“
Weil „Toll, ich habe meinen Lieblingsautor gesehen und prompt ein Autogramm auf eine Serviette bekommen!“
Weil „Der Ort war knuffig, supercool, gell?“
Weil „300 Personen da waren wie Du und ich.“
Was lernen wir?
1. 10 Jahre in Blogs schreiben. Und Lesungen halten.
2. 10 Jahre sich zum Autor hochschreiben.
3. 10 Jahre sich zum Schriftsteller hochschreiben.
Ihr habt 30 Jahre vor Euch.
Könnt Ihr überhaupt schreiben?
No 1 - 8. Okt, 18:12